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Veränderung

Hofbauer Stefan am 18.10.2013
Fr 18 Okt

Veränderung geschieht dann, wenn jemand wird, was er ist, nicht wenn er versucht zu werden, was er nicht ist. (Arnold R. Beisser)

In vielen Menschen ist eine Sehnsucht nach Veränderung und gleichzeitig haben sie große Angst vor dem Neuen und Ungewissen. Denn der Mensch gewöhnt sich an alles. Und so ist uns das vertraute Unglück oft allemal lieber als das unbekannte Glück.

Aber das ist nicht das einzige Hindernis, das echter Veränderung im Weg steht. Sehr häufig sind es auch falsche Vorstellungen, was denn Veränderung eigentlich sei. Nicht wenige Menschen stellen sich vor, sie seien Mensch A und müssten Mensch B werden. Jetzt bin ich faul, esse unglaublich viel, verbringe fünf Stunden am Tag mit fernsehen und morgen dann beginne ich Sport zu betreiben, Diät zu halten und das Fernsehen zur Gänze sein zu lassen.

Derartige Vorstellungen sind nicht nur schwer zu erfüllen, sie sind sogar ganz und gar unmöglich. Ich kann niemals Wolfgang Amadeus Mozart oder Carl Gustav Jung werden, sosehr ich mich auch bemühte. Ich bin vielmehr Stefan Hofbauer und das einzige, was wirklich realistisch ist, ist mit jedem Tag mehr dieser Stefan Hofbauer zu werden.

Die Geschichte von Rabbi Hillel*) bringt das Gesagte deutlich auf den Punkt:

Rabbi Hillel, dem großen, weithin gerühmten, weisen Rabbi Hillel, der verehrt wurde von seinen Schülern und Anhängern, und doch ein ganz bescheidener, stiller Mann geblieben war, dem Rabbi Hillel gelang es, wie die chassidischen Legenden berichten, für einen kurzen Augenblick aus dem Jenseits zurückzukommen.
So stark waren seine spirituellen Kräfte, so tief war seine Frömmigkeit, dass ihm solches - ja - erlaubt war.

Er lag auf seinem Sterbebett. Auch die großen, weisen, ganz verinnerlichten heiligmäßigen Lehrer sterben eines Tages.
Seine Schüler, seine Anhänger rings aus dem ganzen Land, waren gekommen, um Abschied zu nehmen.
Sie standen stumm betend um sein Bett und sahen, wie das Gesicht des Rabbi Hillel heller und heller, strahlend wie ein Licht wurde. Sein Atem wurde klein und kleiner.
Aber von innen her leuchtete der Rabbi, dass das Zimmer strahlte und gleißte und geradezu funkelte.
Auf einmal schlug der Rabbi die Augen auf und begann zu sprechen.
Nicht laut, aber ganz und gar verständlich.

Er sagte: „Es ist alles ganz anders, das darf ich euch sagen.
Ich habe gehört, was Gott in der strengen Prüfung fragt.
‚Wer warst DU?‘ fragt er. ‚Wer hast du dich bemüht zu sein?‘
Und wenn die Geprüften anheben, ihre guten Vorsätze und Absichten darzulegen, dann sagt der Vater von uns allen:
‚Nein, du musstest nicht Abraham sein. Und nicht Moses.
Sondern: Warst du der Rabbi Hillel? Bist du der gewesen - der Rabbi Hillel?’
So geht die Frage in der anderen, in der wirklichen Welt!“

Und als er das gesagt hatte, löschte das Licht des Rabbi Hillel ganz still in einem wunderbaren Schein aus.

So geht die Legende der Chassidim.

Es geht also bei jedweder Veränderung nicht darum, anders zu werden, sondern darum, mehr von dem zu werden, was wir sind. Wie ein Baum, der niemals ein Haus oder ein Vogel werden kann, sondern immer Baum bleibt. Und doch ist er jedes Jahr anders, größer, dicker, höher und mit noch mehr Früchten als im Jahr davor.

Um im obigen Beispiel zu bleiben. Wenn ich jetzt faul bin und unglaublich viel esse und fünf Stunden täglich fernsehe, so kann ich mich morgen daran erinnern, dass ich auch ein leidenschaftlicher Schwimmer bin und Freude daran habe, Flöte zu spielen. Und übermorgen spricht ein Arbeitskollege mit mir über seine drei Welpen und ich entdecke meine Tierliebe. Über das Lesen von Fachbüchern über Tierpflege mag ich dann meine Liebe für Literatur entdecken, usw. Und ehe ein Jahr vergeht, hat sich mein Fernsehkonsum auf 30 Minuten täglich reduziert, ich gehe täglich eine Stunde mit meinem Hund spazieren und habe 5 kg abgenommen und sogar meine Stimmung hat sich wesentlich verbessert.

Ich bin dann immer noch der gleiche, aber ich bin MEHR von mir selbst, ich bin gewachsen, habe neue Anteile in mein Wesen integriert, bin also in gewisser Weise vollständiger geworden.

Die Basis dieser Veränderung ist eine Neugier auf mich selbst, eine Begeisterung für Seiten an mir, die ich bisher noch nicht kannte. Und genau diese Neugier und Begeisterung ist die allerbeste Basis für eine erfolgreiche Therapie, aber auch für persönliches Wachstum ganz ohne Therapie. Die Vorstellung, jemand komplett anderer werden zu müssen, ist eher ein Hindernis. Wahrscheinlich vor allem deshalb, weil solche Vorstellungen selten in uns selber wurzeln, sondern von Eltern, Lehrern oder Vorgesetzten übernommen wurden, ohne dass wir das bemerkt haben.

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*) Rabbi Hillel, erzählt von Axel Corti im „Schalldämpfer“, 26.12.1993
 

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