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Was ist Gestalttherapie?

Hofbauer Stefan am 22.12.2013
So 22 Dez

Veränderung geschieht dann, wenn jemand wird, was er ist und nicht dann, wenn er versucht zu werden, was er nicht ist. (Arnold Beisser)

Die Integrative Gestalttherapie gehört zu den humanistischen Psychotherapiemethoden und ist eine von über 20 anerkannten Psychotherapie-Methoden in Österreich.

„Gestalt“ bedeutet Ganzheit. So ist etwa ein Kreis oder ein Quadrat eine Gestalt. Laut den Erkenntnissen der Gestaltpsychologie neigen wir Menschen dazu, „gute Gestalten“, also vollständige, geschlossene Gestalten zu bevorzugen.

Gestaltgesetze, d.h. mutmaßliche Regeln für die Wahrnehmung einer Gestalt sind dafür verantwortlich, was wir als Ganzheit oder gute (angenehme) Gestalt empfinden und was nicht. Dazu zählen etwa:

  • das Gesetz der Prägnanz
  • das Gesetz der Nähe
  • das Gesetz der Ähnlichkeit
  • das Gesetz der Kontinuität
  • das Gesetz der Geschlossenheit
  • das Gesetz der gemeinsamen Bewegung und
  • das Gesetz der fortgesetzt durchgezogenen Linie

So wird etwa ein Element als Gestalt wahrgenommen, das sich von anderen Elementen durch ein bestimmtes Merkmal abhebt (Gesetz der Prägnanz). Oder Elemente, die näher zusammen liegen, werden auch als zusammengehörig wahrgenommen (Gesetz der Nähe). Linien, die eine gemeinsame Fläche umschließen, werden als Einheit aufgefasst (Gesetz der Geschlossenheit), etc.

In der Gestalttherapie gehen wir davon aus, dass diese Gesetze auch für das psychische Erleben gelten. Wenn Sie sich etwa im Fernsehen einen Krimi ansehen und die letzten 20 Minuten verpassen, so wird Sie dieser Krimi weit länger beschäftigen, als wenn Sie ihn sich fertig angesehen hätten. Wahrscheinlich wird Sie der Krimi sogar im Traum verfolgen. Ganz einfach deshalb, weil die Gestalt (des Krimis) nicht geschlossen wurde. Das Gehirn muss sich weiter damit beschäftigen. Im Falle einer geschlossenen Gestalt, würde der Krimi quasi in Ihrem Gehirn „zu den Akten“ gelegt.

In Beziehungen mit Menschen ergeht es uns ähnlich. Ein abgeschlossenes Gespräch beschäftigt uns nicht weiter, während offene Konflikte, unausgedrückte Wut etc. uns oft tagelang beschäftigen (und damit Energie binden). Wenn Sie jemals eine Auseinandersetzung mit Ihrem Chef oder einem Freund hatten und dann zwei Wochen auf Urlaub gingen, wissen Sie, was damit gemeint ist. Das Problem neigt dazu, im Kopf immer größer und mächtiger zu werden. Aus der sprichwörtlichen Mücke wird in Ihrem Kopf allmählich ein Elefant.

In der Gestalttherapie versuchen wir daher, die unfertigen oder offenen Gestalten in Ihrem Leben aufzuspüren, uns anzusehen, vor welchem Hintergrund sie entstanden sind und sie schließlich durch Gespräch, Rollenspiel oder kleine Experimente zu schließen. Damit beschäftigt Sie dieses Verhalten nicht weiter und Sie haben wieder Energie frei, neue Lösungswege auszuprobieren und sich unbelastet Ihrem Leben zu widmen.

Die Methode wurde von Fritz Perls, Laura Perls und Paul Goodman begründet. Gestalttherapie ist ein integrativer Ansatz, in den Elemente der Psychoanalyse, der Gestaltpsychologie, des Existentialismus, der Körperpsychotherapie, des Sensory Awareness, der Phänomenologie und östlicher Philosophien (insbesondere des Zen-Buddhismus) eingeflossen sind.

Im Vordergrund der klassischen Gestalttherapie stehen das Hier und Jetzt und der Begriff des Kontakts, d.h. die Förderung der Begegnungsfähigkeit des Menschen mit sich und mit anderen. Ziel ist persönliches und gemeinschaftliches Wachstum durch Aktivierung der Selbstheilungskräfte.

Die Gestalttherapie verwendet Methoden und Techniken (Darstellen, Rollenspiel, körpertherapeutische Interventionen, Arbeit mit Medien etc.), die dem Ausdruck und der Integration des subjektiven Erlebens dienen. Sie vermittelt gleichzeitig eine Lebenshaltung, die von Achtsamkeit, Respekt und Wertschätzung sich selbst und der Umwelt gegenüber geprägt ist.

Ein wesentliches Element der Gestaltarbeit ist das vollständige Spüren, Erfahren und Annehmen des Hier und Jetzt. Was sehe ich gerade jetzt? Was höre ich hier im Raum? Wie erlebe ich meinen Körper, meine Atmung, meinen Herzschlag? Was denke ich gerade jetzt über das Gesehene, das Gehörte oder mein Gegenüber? Welche Gefühle erlebe ich gerade?

Um überhaupt mit einem anderen Menschen in einen (echten) Kontakt zu gehen, muss ich zuerst vollständig mit mir selbst in Kontakt sein. Sprachliche Eigenheiten sind für den Therapeuten bisweilen ein Hinweis, dass der Klient nicht mit sich in Kontakt ist. „Man hat halt gestritten“, „Es gab eine riesen Diskussion“, sind solche Formulierungen, die auf innere Distanz zu sich selbst hinweisen. Hier ist der erste Schritt das in Kontakt kommen mit den eigenen Gefühlen in Bezug auf eine bestimmte Situation.

Dieses Erleben im Hier und Jetzt zum Ausdruck zu bringen, ist ein wesentlicher Punkt, um sich selbst besser zu verstehen, Bewusstsein dafür zu entwickeln, was wir tun, wie wir es tun und was wir vielleicht auch vermeiden. Und nur wenn ich fähig bin, das zu erleben, zu spüren, wahrzunehmen, kann ich es auch anderen gegenüber zum Ausdruck bringen. Wir hören dann allmählich auf, Spielchen zu spielen und sagen, was IST. Unsere Mitmenschen kennen sich plötzlich mit uns aus, Missverständnisse hören auf oder reduzieren sich auf ein Minimum und der zwischenmenschliche Kontakt wird enger und tiefer als je zuvor.

Ein nicht unwesentlicher, aber erwünschter Nebeneffekt ist die Aktivierung der Selbstheilungskräfte oder der sogenannten organismischen Selbstregulation. Wir gehen in der Gestalttherapie nämlich davon aus, dass jeder Mensch grundsätzlich auf Wachstum und Weiterentwicklung angelegt ist. Im Laufe unserer Entwicklung haben sich aber Hindernisse für dieses Wachstum eingestellt, die uns blockieren. Solche Hindernisse sind meist Lösungen, die irgendwann einmal funktioniert haben (z.B. das typische Immer-Lächeln, auch wenn es uns schlecht geht), inzwischen aber unser eigenes Wachstum verhindern und blockieren.

Es geht, und das ist für den Klienten zunächst schwer auszuhalten, in der Therapie auch um eine gezielte Frustration all dieser Scheinlösungen und nicht mehr funktionierenden Lösungen. Solange bis sich unter der Oberfläche das authentische Wesen des Klienten zeigt, ohne die alten Introjekte der Eltern, Lehrer und anderer prägender Personen. Ganz vorsichtig beginnt der Klient dann wirklich in seinen eigenen Schuhen zu gehen, anfangs recht unsicher, allmählich aber immer sicherer und selbstbewusster.

Der Klient ist dann, wie Arnold Beisser es so wunderbar ausgedrückt hat, der geworden, der er tatsächlich ist und hat aufgehört den Erwartungen von Lehrern oder Eltern zu folgen, die ihn allesamt nur unglücklich gemacht haben.
 

#Gestalttherapie #Gestaltpsychologie



www.gestalttherapeut.com
Gestaltpsychologie Gestalttherapie
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